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1930 - Hindenburg erdolcht die Demokratie


Aufgrund einer Regierungskrise, an der die Sozialdemokraten nicht ganz unschuldig sind – die Massenarbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise erschwert die Finanzierung der erst kürzlich eingerichteten Arbeitslosenversicherung, beim Streit im Parlament darüber wird „das Kabinett Müller-Franken durch die Sozialdemokraten gestürzt“ (Vossische Zeitung 29.3.30) –, erteilt Reichspräsident Hindenburg dem Zentrumsabgeordneten Heinrich Brüning den Auftrag, eine neue Regierung zu bilden, und zwar ohne Rücksicht auf Koalitionen. Brüning soll die Regierungsmitglieder nach eigenem Gutdünken aussuchen und erhält dafür Rückendeckung durch den Reichspräsidenten, der ohnehin der Ansicht ist, allein das Gezänk der Parteien sei an der Krise schuld, und eine Möglichkeit sieht, die Weimarer Koalition zu sprengen. Auch zwei (gemäßigte) Deutschnationale werden in das neue Kabinett berufen.

Brüning regiert, gestützt auf die Machtmittel Hindenburgs, mit Notverordnungen (Art. 48), also ohne und ggf. gegen das Parlament. Eigentlich ist der Artikel 48 dazu gedacht, bei Gefahr für Sicherheit und Ordnung zu sorgen und nicht, der Regierung beim Erlass von Steuergesetzen zu helfen, das Vorgehen stellt daher einen Verfassungsbruch dar. Zudem ermächtigt Hindenburg den Reichskanzler, bei einem Misstrauensvotum oder der Ablehnung einer wichtigen Vorlage den Reichstags aufzulösen (Art. 25).

Hindenburg

Paul von Hindenburg

Und so kommt es. Brüning, der sein Kabinett offenbar als eine Art Hindenburg-Regierung versteht, löst den Reichstag nach dem Versuch der SPD-Fraktion, die Notverordnungen aufzuheben, am 18. Juli auf und setzt die Notverordnungen wieder in Kraft. Nach Art. 25 sind damit Neuwahlen spätestens in 60 Tagen vorgeschrieben.

In den vorausgegangenen Monaten hat Alfred Hugenbergs starrsinnige Haltung in der Frage der Reparationsleistungen Deutschlands und sein autoritärer Führungsstil die Deutschnationalen gespalten, was sich vor allem zugunsten der Nationalsozialisten auswirkt. Diese werden bei den Neuwahlen zum Reichstag am 14. September 1930 von einer Splitterpartei mit 12 Sitzen mit jetzt 107 Sitzen zur zweitstärksten Fraktion nach der SPD.

 

Quellen:

  • Tageszeitungen (Berliner Tageblatt, Berliner Morgenpost, Vossische Zeitung)

  • Informationen zur politischen Bildung, Heft 261

 

All diese Vorgänge sind Thema des Romans "Dolchstoß!".