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Die Boxheimer Dokumente


Bei der Landtagswahl in Hessen am 15. November 1931 erhält die NSDAP 37 Prozent der abgegebenen Stimmen (ein Gewinn, den sie übrigens nicht nur den Verlusten der bürgerlichen Parteien verdankt, sondern auch den Jungwählern und der Rekordwahlbeteiligung). Nur wenige Tage später, am 25. November, wird bekannt, dass die hessische NSDAP detaillierte Umsturzpläne ausgearbeitet hat.

Wilhelm Schäfer, früherer NSDAP-Abgeordneter und Kreisleiter in Offenbach, der Gewissensbisse bekommt, als ihm klar wird, dass die Legalitätsbeteuerungen der Partei bloße Lippenbekenntnisse sind, übergibt dem Frankfurter Polizeipräsidenten geheime Unterlagen der Führungsriege der hessischen NSDAP über Maßnahmen, die nach einer Machtübernahme zu treffen wären. Diese lassen sich in drei Worte zusammenfassen: „Es wird erschossen.“

Die Boxheimer Dokumente, so genannt, weil sie auf dem Boxheimer Hof eines NSDAP-Mitglieds bei Lampertheim im Rahmen einer Führersitzung verfasst worden waren, entstanden Mitte September während eines Misstrauensantrags gegen das Kabinett von Reichskanzler Brüning, als der Sturz des Kanzlers erwartet wurde und man anschließend losschlagen wollte. Hauptverfasser ist der Landtagsabgeordnete Werner Best, Amtsanwalt in Alzey.

Das Dokument enthält das Programm, nach dem die Nationalsozialisten zu regieren gedenken, sobald sie an die Macht gekommen sind. Darin wird der Bevölkerung befohlen, sämtliche Lebensmittelvorräte ohne Entgelt abzuliefern, Verkauft oder Tausch von Esswaren wird verboten, ernährt werden sollen die Menschen durch Zuteilung mittels Lebensmittelkarten und Kollektivspeisungen. Juden bekommen nichts zu essen. Privateigentum wird abgeschafft, es gibt keinen Lohn, keinen Handel, keine Schulden, keine Zinsen, das Volk wird enteignet und stattdessen Zwangsarbeit („nationale Arbeitsdienstpflicht“) eingeführt. Nahezu jede Zuwiderhandlung wird mit dem Tode bestraft, teilweise sind Erschießungen ohne Verfahren vorgesehen. Zusammengefasst beschränkt sich das Umsturzprogramm, diese Mischung aus Grausamkeit und Dilettantismus, auf die Legalisierung von Mord und die Übergabe der unumschränkten Macht über Leben und Tod in die Hände der SA.

Titelblatt der Berliner Morgenpost

Obwohl die Echtheit der Dokumente nicht bezweifelt werden kann, versucht die NSDAP zu leugnen, abzuwiegeln, zu verharmlosen. Dass die hessischen Abgeordneten auf eigene Faust und ohne Wissen Hitlers gehandelt haben sollen, ist kaum glaubwürdig, schließlich hat Hitler selbst stets die Parteidisziplin und die Unterordnung unter das Führerprinzip betont und im Völkischen Beobachter geprahlt: „Es geschieht nichts in der Bewegung (...), ohne dass ich es weiß und ohne dass ich es billige, ja noch mehr: Es geschieht gar nichts, ohne dass ich es wünsche.“

Das Hochverratsverfahren verläuft indes im Sand. Oberreichsanwalt Karl Werner folgt der nationalsozialistischen Behauptung, die Dokumente stellten ja nur Handlungsüberlegungen für den Fall einer Machtergreifung durch die Kommunisten dar.

 

Quellen: Berliner Tageblatt, Berliner Morgenpost und Vossische Zeitung vom November 1931.

 

All diese Vorgänge sind Thema des Romans "Aufmarsch der Republikfeinde".