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Die Ermordung von Matthias Erzberger


Matthias Erzberger

Matthias Erzberger

Matthias Erzberger, geb. 20.9.1875 in Buttenhausen, katholischer Reichstagsabgeordneter der Zentrumspartei, reorganisiert als Finanzminister die Steuerverwaltung und schafft damit die Grundlagen für das heutige Steuersystem. Er ist einer der meistgehassten Männer der Weimarer Republik. Seine Feinde machen ihn verantwortlich für die Friedensbedingungen nach dem 1. Weltkrieg, die er unterzeichnet hat – auf ausdrücklichen Wunsch von Hindenburg, der maßgebliche Schuld trägt an der Niederlage des deutschen Heeres, aber die Verantwortung dafür lieber Zivilisten überlässt.

Insgesamt werden - je nach Lesart - fünf oder sechs Anschläge auf Erzberger verübt:

  • In der Nacht zum 24. Juni 1919 wollen ihn Angehörige der Reichswehr in Weimar lynchen.

  • In der Nacht zum 28. Juni 1919 wird sein Arbeitszimmer im Finanzministerium beschossen und der Raum, den man für sein Schlafzimmer hält, durch eine Handgranate verwüstet. (Cord Gebhardt stellt allerdings in seinem Buch über Heinrich Tillessen (s. u.) klar, dass dieser Anschlag nicht Erzberger gilt, sondern dem gegenüberliegenden Ministerium).

  • Am 14. November 1919 versucht eine aufgebrachte Menge, ihn aus seiner Wohnung zu holen. Erst eine Hundertschaft der Polizei kann den Mob zerstreuen.

  • Während des Kapp-Putsches (13. - 23. März 1920) sucht die Brigade Ehrhardt nach ihm. Er überlebt nur, weil er sich in einem Tempelhofer Kloster versteckt.

  • Am 26.1.1920, während des Beleidigungsprozesses Erzbergers gegen den Abgeordneten Helfferich schießt der Oberprimaner Oltwig von Hirschfeld auf ihn, als er das Gerichtsgebäude verlässt. Eine Kugel trifft Erzberger in die Schulter, die zweite prallt an der Uhrenkette ab und bleibt in Papieren in seiner Brusttasche stecken. Hirschfeld kommt mit lächerlichen 18 Monaten Gefängnis davon.

Die Erzbergermörder Heinrich Schulz und Heinrich Tillessen

Der sechste Anschlag.

Am 26. August 1921 unternehmen Erzberger und sein Parteikollege Carl Diez einen Spaziergang in Bad Griesbach, einem Kurort im Schwarzwald, den Kniebis hinauf. Zwei Wanderer überholen sie, ohne zu grüßen – es sind die Mörder, Heinrich Schulz und Heinrich Tillessen, Mitglieder der republikfeindlichen Organisation Consul (kurz: Organisation C. oder OC). Da der Weg durch Regen rutschig ist, beschließen Erzberger und Diez um kurz vor 11 Uhr umzukehren.

Plötzlich sind die beiden Männer wieder da. Ohne Vorwarnung ziehen sie ihre Pistolen und schießen aus nächster Nähe auf Erzberger. Diez versucht, sie mit seinem Schirm abzuwehren, aber er wird getroffen und stürzt zu Boden. Erzberger, obwohl bereits schwer verwundet, versucht, seitwärts zu entkommen und rutscht einen Hang hinab, während die Mörder weiter auf ihn feuern. Am Fuße einer Tanne bleibt er liegen. Die Attentäter folgen ihm und schießen ihm mehrmals in den Kopf.

Die Mörder fliehen nach Ungarn. Kurz vor der Machtübernahme der Nazis kehren sie nach Deutschland zurück. Tillessen bereut die Tat später und stellt sich 1945 der amerikanischen Militärpolizei.

Quellen:

  • Carl Diez: Die Lebensgeschichte eines Menschen (Aktiengesellschaft Oberbadische Verlagsanstalt, Konstanz, 1929)

  • Klaus Epstein: Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie (Verlag Annedore Leber, Berlin und Frankfurt am Main, 1962)

  • Cord Gebhardt: Der Fall des Erzberger-Mörders Heinrich Tillessen (J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1995)

Lesetipp: Authentisch und spannend werden diese Ereignisse im Kriminalroman „Organisation C.“ beschrieben.

Carl Diez

Carl Diez